Mit der Veröffentlichung der EU-Richtlinie 2016/800 über „Verfahrensgarantien in Strafverfahren für Kinder, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind“ begann der innerdeutsche Gesetzgebungsprozess zur Novellierung des Jugendgerichtsgesetzes. Die Regierung hat sich nun auf einen Entwurf geeinigt, der nach der Sommerpause sehr wahrscheinlich in die parlamentarische Abstimmung gehen wird.
Für die Allgemeinen Sozialen Dienste, die in ihrer Vielzahl auch mit der Wahrnehmung der Jugendgerichtshilfe betraut sind, bedeutet der Paradigmenwechsel des Gesetzgebers eine organisatorische Herausforderung.
Die Justiz braucht die Jugendgerichtshilfe – das war eine deutliche Aussage des verantwortlichen Ressortleiters im BMJV, Dr. Michael Sommerfeld, der beim JGH-Bundeskongress in Bad Kissingen, die Überlegungen zum JGH-Entwurf erläuterte. Der in der letzten Woche veröffentlichte Regierungsentwurf enthält unter anderem folgende Veränderungen, die aus Sicht des Verfassers besonders relevant sind:
Aus Sicht des Verfassers wird die verpflichtende Teilnahme an Hauptverfahren für viele Kommunen eine besondere Herausforderung darstellen. Dienste, die mehrere Amtsgerichtsbezirke abdecken müssen, brauchen in besonderer Weise ein personelles Konzept zur Sicherstellung der Hauptverhandlungsteilnahmen. Die mancherorts übliche Praxis, bei Erstellung eines JGH-Berichtes auf die persönliche Teilnahme zu verzichten, wird ohne weiteres nicht mehr möglich sein.
Aus dem BMJV konnte im Rahmen der Diskussionen zum Referentenentwurf vernommen werden, dass gerade von Seiten der Justiz von der Genehmigung der aufgeführten „Ausnahmen“, die ein Fernbleiben von Hauptverhandlungen ermöglichen könnten, sehr sparsam Gebrauch gemacht werden wird.
Ebenso wird das frühe in Kenntnis setzen der Jugendgerichtshilfe zu einem erhöhten Fallbearbeitungsaufwand führen. In vielen Diversionsverfahren, die unter aktuellem JGG noch ohne Arbeitsaufwand für die Jugendgerichtshilfen durchgeführt werden, wird die JGH zukünftig tätig werden müssen. Und zwar immer dann, wenn Diversionen nicht bereits durch die Polizei angeregt werden.
Der Deutsche Städtetag schreibt am 28.11.2018 (AZ 51.31.30D) zu der Frage, wie die Mitgliedskommunen den Mehraufwand beziffern, dass, vorsichtig gerechnet, von einer Verdopplung des Arbeitsaufkommens ausgegangen werde. Abgesehen von möglichen Organisations-/Prozessoptimierungen wird diese Aufgabenerweiterung in vielen ASDs nicht ohne Personalausgleich zu bewältigen sein. Den Regierungsentwurf mit Erläuterungen und den Stellungnahmen verschiedener Organisationen, finden Sie auf der Webseite des BMJV: Regierungsentwurf incl. Erläuterungen
Nähere Auskünfte bei: Felix Niemann, Mitglied des erweiterten Vorstands der Bundesarbeitsgemeinschaft ASD/KSD info@bag-asd-ksd.de
Diese Stellungnahme als Download:
Novellierung des JGG und ihre Auswirkung auf die Allgemeinen Sozialen Dienste